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«Ich war tagelang wie in einem Film»
Die alpine Skirennfahrerin Aline Danioth gewann 2016 an den Olympischen Jugendspielen in Lillehammer zwei Gold- und zwei Bronzemedaillen. Vier Jahre später und kurz vor Beginn der Youth Olympic Games 2020 in Lausanne blickt sie zurück auf die Tage in Lillehammer und spricht über ihr damaliges Erfolgsrezept.
Wenn am 9. Januar in Lausanne die Olympischen Jugendspiele beginnen, erinnert mich das an eine ganz besondere Zeit. Die Jugendspiele 2016 in Lillehammer sind unvergesslich! Dabei erinnere ich mich, wie ich zunächst überhaupt keine Erwartungen an den Anlass hatte. Wegen des Europacup-Einsatzes reiste ich mit Verspätung an und war etwas im Stress.
Ich wusste einfach, ich würde an den Youth Olympic Games in Lillehammer vier Rennen bestreiten: Den Super-G, die Kombination, den Riesenslalom und den Slalom. Ein Ziel hatte ich mir einzig im Slalom gesetzt. In meiner Spezialdisziplin wollte ich gewinnen.
Als ich nach der Ankunft in Lillehammer im Olympischen Dorf eintraf, merkte ich sofort, dass das hier etwas ganz Anderes ist, als ein gewöhnlicher Stopp auf der Wettkampftour. Allein die Sicherheitskontrollen am Eingang... Das war wie am Flughafen!
Im Dorf selber war dann alles gross und grosszügig. Ich traf auf zahllose Athletinnen und Athleten aus vielen verschiedenen Ländern und Sportarten. Und alles drehte sich um uns Sportlerinnen und Sportler, alle Bedürfnisse waren auf uns abgestimmt. Ich fühlte mich fast wie ein Star!
Aber als «Star» verspürt man ja auch Druck, und der liess dann nicht auf sich warten. Plötzlich ging mir durch den Kopf, dass ich hier ja durchaus Topleistungen abrufen wollte, und ich wusste auch, dass ich das konnte. Auch meine Trainer versicherten mir, dass sie meine gute Form kannten und mir an den YOG einiges zutrauten.
Viel Zeit, mich auf die Verhältnisse einzustellen, blieb nicht. Vor meinem ersten Rennen, dem Super-G, absolvierte ich gerade mal ein Training. Ohne Erwartungen ging ich ins Rennen, doch als alle Fahrerinnen im Ziel waren, lag ich auf Rang 3. Als die Medaille an meinem Hals hing, war der ganze Druck weg, den ich mir zuvor gemacht hatte.
Und ab sofort war ich total im Flow. Einen Tag nach Bronze im Super-G siegte ich im Kombinationsrennen – vor meiner Schweizer Teamkollegin Mélanie Meillard. Es folgte Rang 3 im Riesenslalom, den Mélanie gewann. Als ich dann zum Abschluss im Slalom antrat, war es mir gelungen, den Fokus trotz den vorangegangenen Medaillen auf diesem für mich so wichtigen Rennen zu behalten.
Rückblickend scheint es mir, ich tagelang wie in einem Film war. Ich hatte kaum eine freie Sekunde. Im Anschluss an die Rennen fand die Medaillenübergabe statt, nach der Rückkehr ins olympische Dorf ass ich etwas, danach ging es gleich ins Krafttraining, zum Ausfahren, ins Bett und am Morgen ans nächste Rennen.
Noch jetzt merke ich, welch super Vorbereitung die Olympischen Jugendspiele für Talente sind. Sie zeigen den Nachwuchs-Athletinnen und -Athleten, wie ihr Leben im Weltcup, bei der Elite, aussehen könnte.
Auch die Aufmerksamkeit, die meine Erfolge hervorriefen, hat mich überrascht. Ich erhielt zig Nachrichten und habe mich gewundert: «Was! Die alle haben mitbekommen, was ich in Lillehammer so mache?!»
Aufgrund meines dichtgedrängten Wettkampfprogramms fand ich leider kaum Zeit, an den vielen Nebenveranstaltungen teilzunehmen, die an den Olympischen Jugendspielen angeboten werden. Immerhin konnte ich meine Kolleginnen und Kollegen vom Swiss Olympic Youth Team einmal an einem Eishockeyspiel und einmal beim Biathlon anfeuern.
Natürlich begegnen wir uns nicht so oft, wir sind alle viel unterwegs. Doch wenn wir uns über den Weg laufen, wissen wir genau, dass wir an den YOG 2016 gemeinsam eine tolle, ganz spezielle Zeit erlebt haben. Das verbindet!
Eine enge Beziehung habe ich in Lillehammer zu Mélanie Meillard aufgebaut. Schliesslich standen wir an den YOG zwei Mal gemeinsam auf dem Podest und konnten die Erfolge teilen. Das kommt bei uns als Einzelsportlerinnen eher selten vor. In den vergangenen dreieinhalb Jahren haben sich unsere Wege jedoch ein wenig getrennt. Zuerst war ich für einige Zeit verletzt, seither Mélanie. Ich hoffe aber, dass wir in Zukunft wieder gemeinsam Rennen bestreiten werden.
Zeit, meine Erfolge und die speziellen Erlebnisse an den Olympischen Jugendspielen zu geniessen, hatte ich zunächst nicht. Von Lillehammer reiste ich direkt weiter an die Junioren-Weltmeisterschaft in Sotschi, wo ich Gold in der Kombination gewann. So richtig feiern konnte ich die Medaillen an den YOG dann am Ende der Saison bei mir zuhause in Andermatt. Es gab sogar einen kleinen Empfang!
Eine Ski-Junioren-WM ist übrigens von der Grösse her nicht zu vergleichen mit den YOG. Und nicht einmal die «richtigen» Ski-Weltmeisterschaften können diesbezüglich mithalten. Das habe ich an der WM 2019 in Are festgestellt. Auch dort war alles eine Nummer kleiner, als an den Jugendspielen in Lillehammer.
Auf die YOG-Athletinnen und -Athleten 2020 in Lausanne kommt garantiert eine spannende Zeit zu. Besonders für die Schweizer Talente werden die Heimspiele etwas Grossartiges. Davon bin ich überzeugt. Ich rate ihnen, diese Zeit zu geniessen und so viel wie möglich von diesem Anlass mitzunehmen. Leider kann ich selber nicht an den Wettbewerben in und um Lausanne vorbeischauen. Mein Terminkalender lässt keinen Abstecher an die YOG 2020 zu.
Dass ich die Olympischen Jugendspiele kein zweites Mal als Athletin erleben kann, stimmt mich nicht wehmütig. Ich hatte 2016 mit den YOG in Lillehammer ein einmaliges Erlebnis, dank dem ich mich auf meinem Weg weiterentwickelt habe. Unterdessen habe ich mir neue Ziele gesetzt. Eines davon ist die Teilnahme an den Olympischen Winterspielen!
Im Blog «Athletengeschichten - Ungefiltert» erzählen Athletinnen und Athleten in ihren eigenen Worten aus ihrem Leben. Sie sprechen über Siege und Niederlagen, über schöne und über schwierige Momente, über das Hinfallen und über das Aufstehen. Die Athletinnen und Athleten bilden das vielfältige Gesicht des Schweizer Sports ab und zeigen, was den Sport so wertvoll macht.