Keystone-SDA
12.
September
2024

«Paris 2024 ist ein Boost für die Inklusion»

Ein grosses Spitzensport-Fest und zwei, drei Baustellen: Rita Albrecht-Zander, Leiterin der Fachstelle Inklusion von Swiss Olympic, blickt auf die Paralympischen Spiele in Paris zurück.

Du hast einen Teil der Paralympics vor Ort in Paris verfolgt. Wie lautet Dein Fazit der Spiele?

Viele hatten sich gefragt, ob die Magie der Olympischen Spiele während der Paralympischen wieder aufleben würde, ob sich dieses grosse Sommerfest wiederholen liesse. Mir wurde in Paris schnell klar, dass das gelang. Die Stadien waren voll, die Fans begeistert und die Leistungen der Para-Athletinnen und Athleten Weltklasse und tief beeindruckend. Wenn ich etwa an die blinden Judokas im majestätischen Grand Palais zurückdenke, wie die Fans solche fast unvorstellbaren Leistungen würdigten... das war sehr ergreifend. Der Para-Sport gewinnt an Wertschätzung und Sichtbarkeit und kommt immer mehr, auch dafür stand Paris 2024. Dabei hilft die grössere TV-Präsenz, welche auch eine SRG mit ihrer täglichen Berichterstattung ermöglicht hat. Die Spiele sind sicher ein Boost für die Inklusion.

Wie inklusiv waren die Paralympics selbst? 

Bei unserem Besuch im Paralympischen Dorf wurde mir klar, dass sich die Planung der Infrastruktur noch stärker an den Bedürfnissen der Parasportlerinnen und -sportler ausrichten müsste, um echte Inklusion zu erreichen. Für diese gilt ebenso wie für Athlet*innen ohne Einschränkung, dass die Regeneration entscheidend ist für die Leistungsfähigkeit. Bei Rollstuhlfahrer*innen ist für die Erholung auch entscheidend, dass sie viel und gut liegen können. Die Betten im paralympischen Dorf waren für sie sicher nicht ideal, hinzu kommt, dass die Zimmer zu klein waren, wenn sich zwei Rollstuhlfahrende dieses teilen mussten. Auch die sanitären Bedürfnisse sind bei mobilitätseingeschränkten Personen anders, sie brauchen länger, das führt schnell zu grossem Zeitdruck, wenn man sich zu zweit am Morgen ein Bad teilen muss. 

Und die Wettkampfstätten?

Aus meiner Sicht waren diese bestmöglich für die Para-Sportlerinnen und -Sportler eingerichtet – mit einer schmerzlichen Ausnahme: Das Kopfsteinpflaster beim Marathon-Teilabschnitt auf den Champs-Elysées war für die Rollstuhlsportler*innen eine, wie ich finde, nicht zumutbare Belastung. Die Erschütterungen mit den ungefederten High-Tech-Sportgeräten sind massiv, sie kosten Kraft und verursachen grosse Schmerzen. Für die Zuschauenden gab es insgesamt sehr wenige Barrieren, und wenn jemand auf eine stiess, war schnell einer der äusserst hilfsbereiten Volunteers zur Stelle. Die Metro in Paris ist hingegen alles andere als barrierefrei, aber das braucht verständlicherweise Zeit. Den Athlet*innen standen jederzeit Shuttles zur Verfügung.

Das Swiss Paralympic Team brillierte mit 21 Medaillen. Ist das auch ein positives Zeugnis für die zunehmende Inklusion im Schweizer Leistungssport?

Das sehr erfreuliche Teamresultat zeigt, dass in den beiden Para-Verbänden auch im Bereich Leistungssport hervorragende Arbeit geleistet wird. Ich bin überzeugt, dass wir noch viel erreichen können, wenn wir die gute Zusammenarbeit zwischen Swiss Olympic, den Sportverbänden für Menschen mit Behinderung und den Regelsportverbänden weiter intensivieren. Dabei geht es zum Beispiel um Knowhow-Transfer. Unsere Inklusions-Fachstelle, die nun seit elf Monaten existiert, unterstützt alle Beteiligten, um hier eine starke Allianz aufzubauen. Die Stelle koordiniert und fördert den Aufbau inklusiver Angebote und nationaler Netzwerke mit dem Ziel, den Schweizer Sport für alle zu fördern. Die Begegnungen mit Vertreterinnen und Vertretern des Schweizer Sports in Paris haben mir gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Nun wollen wir den Boost von Paris 2024 nutzen. Unsere Para-Sportler*innen sind echte Vorbilder. Mit ihrer Stahlkraft können sie auch im inklusiven Breitensport viel Gutes bewirken.

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