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19.
Dezember
2024

Ein ungefilterter Blick zurück: Fünf Episoden von 2024

Was wurde aus den Hoffnungen und Herausforderungen, von denen eine Triathletin, ein Kanute, ein Skispringer, ein Ex-Fussballer und eine Tischtennisspielerin ganz offen in unserem Blog «Ungefiltert» erzählten? Ein Jahresrückblick in fünf Zitaten.

Julie Derron: Vier Monate China für ein silbernes 2024

«Wenn alles perfekt läuft, wenn all das, was ich täglich investiere, aufgeht, liegt vielleicht auch eine Medaille drin. Dann müsste ich mich auch bei ein paar Chinesinnen bedanken.»

Triathletin Julie Derron im Beitrag «Es gibt nur den 31. Juli», 18. Juli 2024, zwei Wochen vor dem Olympia-Triathlon. 
 

Wenn alles aufgeht: Julie Derron gewinnt sensationell Silber in Paris. (Bild Keystone)

Wenn alles aufgeht: Julie Derron gewinnt sensationell Silber in Paris. (Bild Keystone)

Es ist nicht überliefert, ob sich Julie Derron bei ein paar Chinesinnen bedankt hat, aber es ist alles perfekt gelaufen, Julie Derron ist perfekt gelaufen und gefahren und geschwommen an diesem 31. Juli 2024 in Paris – Silber im Olympia-Triathlon, die mittlerweile 28-jährige Zürcherin zeigte das Rennen ihres Lebens und überquerte die Ziellinie vor einer fantastischen Kulisse auf der Pont d’ Alexandre hinter der Französin Cassandre Beaugrand zur Überraschung aller als Zweitschnellste. Und was haben nun die Chinesinnen damit zu tun? Julie Derron erzählte im Blog, wie sie zur Vorbereitung für diesen 31. Juli, dem sie alles unterordnete, für vier Monate in China weilte, um täglich unter ihrem Coach Brett Sutton trainieren zu können, der gleichzeitig Trainer des chinesischen Triathlon-Nationalteams ist. Einige Opfer erbrachte sie dafür – und profitierte entscheidend auch von ihren temporären Trainingskolleginnen: «Ich bin jetzt dank den Chinesinnen vor allem eine bessere Schwimmerin», sagte Julie Derron. «In dieser Disziplin waren sie mir voraus, da gehst du ans Limit, um mitzuhalten und lernst viel dazu.» Es waren schliesslich nur 45 Sekunden, die sie in Paris bei den 1500 Metern Schwimmen in der Seine auf die Führende einbüsste, bevor sie aufs Rad wechselte und schnell an die Spitze vorstiess. Die Medaille verändert ihr Leben, Julie Derron ist nun begehrter Gast an Podiumsdiskussionen und auf dem grünen Teppich am Zurich Film Festival – und weiterhin erfolgreiche Triathletin. Bei den T100-Rennen (2 km Schwimmen, 80 km Radfahren, 18 km Laufen) der World Tour in Ibiza, Las Vegas und Dubai erreicht sie nacheinander den hervorragenden zweiten Platz. Diese Erfolge brachten ihr die Nomination zur Schweizer Sportlerin des Jahres ein, wie heute bekanntgegeben wurde.

Martin Dougoud: Neues Motto, geplatzter Traum

«Wenn alles nach Plan verläuft, sollte ich für die Olympischen Spiele 2024 in Paris selektioniert werden. Es bleibt abzuwarten, wie ich mit diesem Druck, der grösser ist als sonst, umgehen werde – und welchen Beitrag ich zu diesem Fest leisten werde. Für mich bedeutet das einfach: Kajak fahren, ganz im Hier und Jetzt sein und Spass auf dem Wasser haben.»

Der Kajakfahrer Martin Dougoud im Beitrag Akzeptieren, dass man gut ist, 15. Mai 2024. 

Martin Dougoud verpasst an den Olympischen Spielen in Paris 2024 das Podest, verliert aber nicht die Freude. (Keystone-SDA)

Martin Dougoud verpasst an den Olympischen Spielen in Paris 2024 das Podest, verliert aber nicht die Freude. (Keystone-SDA)

Alles lief nach Plan für Martin Dougoud nach seinem Beitrag im Blog «Ungefiltert». Im Sommer nahm der 33-jährige Kanute tatsächlich an seinen zweiten Olympischen Spielen nach Tokio 2021 teil. Im Gegensatz zum Schwimmer Roman Mityukov, der kürzlich im Blogbeitrag Schlaflos in Paris erzählte, wie seine Träume in der Nacht vor dem Final wahr wurden, platzte Dougouds Traum einer Medaille aber. Er belegte den undankbaren 4. Platz im Kajak-Slalom und den frustrierenden 5. Platz im Cross. «Ich wollte der Schweiz eine Medaille heimbringen, davon habe ich letzte Nacht sogar geträumt», sagte er den Tränen nahe, als er nach seinem letzten Rennen Interviews gab. Ein bitteres Ende also – aber wie Martin Dougoud selbst im Blog erklärte, ist das Ergebnis nicht das Einzige, das für ihn zählt. In den letzten Jahren hat der Kajakfahrer einen grossen Prozess durchlaufen – unter anderem mit Hypnose und Mentaltraining –, um seiner Karriere einen Sinn zu geben und das Beste aus sich herauszuholen: «Ich habe wirklich verstanden, warum ich diesen Sport betreibe. Es ist ganz einfach: Ich liebe es, auf dem Wasser zu sein, ich liebe das Boot, ich liebe es, mit Menschen zusammen zu sein. Die Leistungen und die Medaillen sind zweitrangig.» Trotz der Enttäuschung hatte der Athlet von Swiss Canoe nach seinem 4. Rang in Paris nicht die Klarheit verloren: «Ich war ganz im Hier und Jetzt, das war die Hauptsache», sagte er gegenüber RTS. Und vielleicht hat seine Geschichte ja andere Sportlerinnen und Sportler in der Schweiz inspiriert. Nachdem sein Text im Blog von Swiss Olympic erschienen war, berichteten verschiedene Medien (Léman bleu, Watson, SRF) ebenfalls über Martin Dougouds Weg mit der Hypnose und verbreiteten so sein neues Motto der Prioritäten: Erst die Freude, dann die Medaillen (ein bisschen wie Sarah Hoefflin, einfach anders?). 

Marco Schönbächler: «Megapositive» Reaktionen nach holprigem Start ins neue Leben

«Ich gehe heute gerne arbeiten, aber die Übergangsphase zwischen Profi- und Nachsportkarriere läuft noch. Wohin will ich? Es kann noch ein paar Jährchen dauern, bis ich die Antwort wirklich kenne.»

Ex-Fussballer Marco Schönbächler im Beitrag Plötzlich Ex-Profi: «Da kommst du auf die Welt» , 14. März 2024
 

Wenn ein Fussballer ins Immobilienbüro wechselt: Marco Schönbächler (l.) und die Tücken der Nachsportkarriere (Bild zVg).

Wenn ein Fussballer ins Immobilienbüro wechselt: Marco Schönbächler (l.) und die Tücken der Nachsportkarriere (Bild zVg).

Marco Schönbächler, die FC-Zürich-Ikone, die nie bei einem anderen Club spielte, gab im März persönliche Einblicke in den schwierigen Übergang eines Profiathleten in die Nachsportkarriere. Dieser Wechsel wird umso komplizierter, wenn er so abrupt erfolgt wie bei Schönbächler, der mit 31 keinen neuen Vertrag erhielt und sich bald auf dem RAV wiederfand, wie er ungefiltert erzählte. Später baute er mit Kollegen einen eigenen Padelclub auf und begann ein Praktikum bei einer Immobilienfirma, wo er heute angestellt ist. Die finale Antwort auf seine persönliche Frage – wohin nach der Sportkarriere – steht wohl noch aus. Doch indem Persönlichkeiten wie Marco Schönbächler offen über die Tücken der Nachsportkarriere sprechen, gelangt das Thema auch ins Bewusstsein einer breiteren Sportöffentlichkeit – und trägt im Idealfall dazu bei, dass sich Athletinnen und Athleten schon früh mit der Fragen des Wohin beim Danach beschäftigen. Umso besser, wenn auch die Medien diese Fragen thematisieren. Im November griff der «Tages-Anzeiger» das Thema in einer Serie auf und interviewte auch Marco Schönbächler – und fragte unter anderem, wie die Reaktionen auf den Swiss-Olympic-Blogbeitrag waren. «Megapositiv», befand Schönbächler, «viele Leute fanden das interessant und meldeten sich bei mir. Auch andere Sportler schrieben mir und stimmten mir zu». Ziel erreicht, befindet die «Ungefiltert»-Crew. 

Mehr zum Programm Nachsportkarriere von Swiss Olympic.

Simon Ammann: Grosse Leidenschaft, dünne Luft

«Seit 1992 ist das Skispringen ein wesentlicher Teil meines Lebens, Loslassen ist schwierig. Ich habe bislang keine Strategie gefunden, wie ich mich von dieser Welt abnabeln kann.»

Skispringer Simon Ammann im Beitrag «Loslassen ist schwierig», 29. Februar 2024
 

Wenn die Luft dünn wird und die Leidenschaft gross bleibt: Simon Ammann beim Weltcup-Springen in Lillehammer im November. (Bild Keystone)

Wenn die Luft dünn wird und die Leidenschaft gross bleibt: Simon Ammann beim Weltcup-Springen in Lillehammer im November. (Bild Keystone)

Simon Ammann war 42, als er diese Worte sprach, nun ist er 43 und vor wenigen Wochen in seine 28. Weltcup-Saison gestartet. Beim Auftakt im norwegischen Lillehammer sprang er neben Gregor Deschwanden als einziger Schweizer in die Punkte, und die Suche nach der Strategie zum Loslassen geht weiter. Es ist ja nicht so, dass er sonst nichts zu tun hätte, wie er im Blog erzählt. Er ist heute auch dreifacher Familienvater, Stiftungsratspräsident, Unternehmer, Student, Privatpilot und weiterhin Doppeldoppelolympiasieger. Aber er sagte auch: «Relevant ist die Liebe zum Skispringen, die Freude am Abtauchen und Hochfliegen in dieser Welt.» Die Frage nach dem Rücktritt, sie wird jedenfalls nicht leiser mit den Jahren. Im «Blick» lautete ein Leser-Kommentar: «Simon, hör endlich auf». Der «Tages-Anzeiger» fragte Simon Ammann nach dem erneuten Saisonstart, ob er nicht jüngeren Athleten einen Platz wegnehme, ob er nicht seine Reputation als Spitzenathlet riskiere. «Vielleicht schon», antwortete er, «aber dieses Gefühl vom Springen, das kann ich Ihnen nicht erklären». Und er ist aktuell immerhin noch die Nummer 3 der Schweiz, auch wenn die Luft dünn wird. Vielleicht trägt ihn seine Liebe zum Skispringen ja bis Milano Cortina 2026. Es wäre seine achte Olympia-Teilnahme, ein Rekord, der heute Noriaki Kasai hält. Der Japaner ist 52 und auch immer noch aktiver Skispringer – hat nun aber den Sprung ins japanische Weltcup-Kader verpasst. Der junge Simi fliegt weiter.

Rachel Moret: Im Gleichgewicht trotz Enttäuschung

«Was Olympia angeht, so sind die Spiele in Paris 2024 mein nächstes grosses Ziel. Ich weiss jetzt schon, dass es kompliziert wird, mein Kalender ist sehr voll. Ich muss eine verdammt gute Saison hinlegen, um es zu schaffen.»

Die Tischtennisspielerin Rachel Moret im Beitrag Ein Ping Pong der Gefühle, 19. Juni 2023. 
 

«Das ist kein Ende an sich»: Rachel Moret, hier an der EM in Linz (Österreich) im Oktober 2024. (Keystone-SDA)

«Das ist kein Ende an sich»: Rachel Moret, hier an der EM in Linz (Österreich) im Oktober 2024. (Keystone-SDA)

Trotz ihrer sehr guten Form Anfang 2024 (Interview auf La Télé) ist es Rachel Moret nicht gelungen, die nötigen Punkte zu sammeln, um sich für die Olympischen Spiele in Paris zu qualifizieren. Dies hat die Waadtländerin jedoch nicht davon abgehalten, ihre Leidenschaft für ihren Sport ungebrochen aufrechtzuerhalten. Die 34-jährige Tischtennisspielerin spielt immer noch im französischen Verein Nîmes-Montpellier an der Seite der populären Felix und Alexis Lebrun, die mittlerweile Olympia-Medaillengewinner sind. In ihrem Blog-Beitrag berichtete Rachel Moret über ihr Leben als Athletin fernab des Starsystems, mit einem gesetzlichen Mindestlohn und ständigen Reisen um die Welt, um in der Weltrangliste aufzusteigen. Sie erklärte auch, wie kompliziert die Zeit nach ihren grossartigen Olympischen Spielen in Tokio war, als sie 14 Niederlagen in Folge bei internationalen Turnieren einstecken musste: «Nach dieser schwierigen Phase bin ich jetzt besser gerüstet, um mit Enttäuschungen umzugehen – das hoffe ich jedenfalls. Ich möchte nicht denselben Fehler noch einmal begehen – nur noch Wettkampf, ohne Ruhe und Familie. Ich habe Zeit gebraucht, aber ich glaube, dass ich jetzt das richtige Gleichgewicht gefunden habe.» Ihr Rezept scheint zu funktionieren: «Das ist kein Ende an sich, ich werde mich wieder aufrappeln und mich auf die Zukunft vorbereiten», sagte sie der Zeitung La Côte im Juni 2024, nachdem sie sich nicht für die Olympischen Spiele qualifiziert hatte.