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Leichtfüssig integriert mit Tadesse Abraham

Oft stehen Flüchtlinge, Grenzpolitik und Integration ganz oben auf der politischen Agenda der Schweiz und Europas. Was kann der Sport für die Integration tun? Diese Frage haben wir dem Schweizer Marathonläufer Tadesse Abraham gestellt, der als Geflüchteter aus Eritrea in die Schweiz kam und inzwischen Botschafter für mehrere Projekte zur Integration durch Sport ist.

Für Tadesse Abraham ist der Sport eine Betätigung, bei der sich die Menschen auf Augenhöhe begegnen: «Man will dasselbe Ziel erreichen, man trainiert zusammen und egal wo du herkommst, du musst trainieren, um ein guter Sportler zu sein.» Vor allem das Laufen, für das man keine Sportgeräte braucht, ist ein Sport, der allen offensteht. Die Geschichte von Tadesse Abraham zeigt, dass der Sport ein gutes Mittel zur Integration ist – rund zehn Jahre nach seiner Ankunft in der Flüchtlingsunterkunft in Uster (Zürich), hält er den Schweizer Rekord im Marathon. Seine Erfahrung ist wertvoll, er kann sich besser als jeder andere in die Flüchtlinge hineinversetzen: «Das Problem ist, dass viele Migranten nicht aus dem Haus gehen. Das war bei mir auch so. Du hast Heimweh und du hast Angst, nach draussen zu gehen, weil du die Kultur und die Sprache nicht kennst.» 

Aus diesem Grund unterstützt der Marathonläufer aktuell zwei Projekte, die Lauftrainings für Geflüchtete anbieten, damit sich diese nach und nach über den Sport integrieren können.

“Wenn wir es schaffen, die Flüchtlinge mit diesem Projekt aus ihren vier Wänden herauszuholen, dann ist das der erste grosse Schritt. Nach und nach werden sie versuchen zu sprechen und sich zu verständigen. Das baut Stress und Ängste ab. Sie können viel über die Kultur und die Sprache lernen und erste Kontakte zur Gesellschaft aufbauen. Das geht natürlich nur in kleinen Schritten.”

Schon seit 2017 beteiligt sich Tadesse Abraham unter der Leitung von Jean-Louis Bottani (ehemaliger Präsident des Hospice Général und damals Organisator des Genfer Stadtlaufs) an sportlichen Aktivitäten, die für Flüchtlinge angeboten werden, hauptsächlich in Genf. Im September 2020 fiel der Startschuss für das erste grosse Projekt: THSN Refugee Team. Das Genfer Projekt sieht zwei kostenlose Trainings pro Woche vor, die von qualifizierten Trainer*innen geleitet werden. Flüchtlinge, die an Wettkämpfen teilnehmen möchten, erhalten finanzielle Unterstützung. Das gleiche Programm startet im Januar 2021 in der Deutschschweiz und findet abwechselnd in Zürich und Winterthur statt. Tadesse Abraham beteiligt sich an beiden Projekten, um die Flüchtlinge zu coachen und zu motivieren, sofern das sein Terminkalender als Athlet zulässt. «Ich nehme mir gerne Zeit für diese Projekte. Das motiviert mich sehr!».

Diese Form der Unterstützung ist in einem Verein leicht realisierbar und ermöglicht die Umsetzung der Ethik-Charta und der sozialen Werte des Sports. Selbst wenn nur eine einzige Person in ein Team aufgenommen wird, wird dadurch die kulturelle wie auch die sportliche Integration gefördert. Ganz zu schweigen davon, was das für die geflüchtete Person bedeutet. «Das ist eine Win-Win-Situation», so Tadesse Abraham.

Um die eingangs gestellte Frage zu beantworten: Sport kann ein sehr wirksames Mittel zur Integration sein, wenn man es nur möchte. Er bringt unterschiedliche Menschen zusammen, die eine gemeinsame Aktivität verbindet. Sie können über diese gemeinsame Leidenschaft kommunizieren, so als wäre der Sport eine internationale Sprache. Das ist der Grund, warum sich Flüchtlinge so schnell integrieren können: «Wie von Zauberhand», um es mit den Worten des Schweizer Marathonläufers zu sagen.

Das Engagement von Tadesse Abraham zeigt, dass mit wenigen Mitteln viel Gutes bewirkt werden kann und ist eine Inspirationsquelle für andere Integrationsprojekte in Schweizer Sportvereinen.